Weltweit werden Schutzesel als wehrhafte Begleiter von Schaf- und Ziegenherden eingesetzt. Mit Geschrei und Tritten vertreiben sie sogar Bären.
Lotte hat ein Problem: Die Eseldame scheint nicht recht zu wissen, zu wem sie gehört – zu den Schafen oder zu den Hütehunden. Die Eselin begleitet den Wanderschäfer Stefan Fauser und seine Herde über die Schwäbische Alb – und wenn Schäfer, Hütehunde und Schafe vorbeiziehen und aus der Masse plüschiger Schafsgesichter auch noch die langen grauen Ohren eines Hausesels herausragen, dann bleiben Autofahrer stehen und machen ein Foto des Idylls.
Esel werden weltweit als Herdenschutztiere eingesetzt
Doch Lotte ist mehr als pittoreskes Beiwerk: Sie trägt das Weidezaunzubehör, dient als hochgeschätztes Packtier und ist tatsächlich ein bisschen Schaf und ein bisschen Hund. Tagsüber schließt sich die Eselin den Schafen an, nachts, wenn die Herde unbewacht im Pferch steht, dann passt sie auf.
Esel werden weltweit zur Bewachung von Schafen, Ziegen oder Kühen eingesetzt. In Kanada schrecken sie Kojoten ab, in Namibia schützen sie vor Gepardenangriffen und in der Schweiz halten sie Luchse und Füchse fern. Die Methode des Eselschutzes ist alt – schon früh erkannten die Hirten, dass der Esel nicht nur Lasten schleppt, sondern auch ausgesprochen wachsam ist.
Esel haben gute Augen und einen äußerst feinen Geruchssinn. Mit ihren Riesenohren hören sie zudem sehr gut. Sie stehen von Natur aus gerne an erhöhten, luftigen Stellen (dort ist das Ungeziefer nicht so lästig) und behalten ihre Umgebung im Auge.
Esel vertreiben Angreifer mit Geschrei und Tritten
Auf Störungen reagieren Esel empfindlich – und laut. Mit ihrem heiseren Protestgeschrei alarmieren sie nicht nur „ihre“ Herde, sondern schlagen manchen Angreifer schon akustisch in die Flucht. In vielen Eseln ist noch die instinktive Abneigung gegen hundeartige Räuber verankert: Kommen diese zu nah, weiß ein Esel sich mit gefletschten Zähnen und gezielten Tritten zu wehren. Selbst Bären sollen schon erfolgreich von Eseln vertrieben worden sein.
Besonders für kleine Herden, die er mit einem Blick überschauen kann, ist der Esel ein gutes Schutztier, denn er schützt auch indirekt. Droht Gefahr, sammeln sich Schafe instinktiv um den Esel und bilden so eine geschlossene Masse um das größere Tier. Das wirkt auf Angreifer abschreckend. Ist die Herde zu groß, klappt das nicht mehr.
Die Kombination Schutzesel/Hütehund kann schwierig sein
Auch nachts passen Schutzesel auf. Manche von ihnen machen es sich sogar zur Gewohnheit, die Schafe abends zusammenzutreiben. Kombiniert man einen Schutzesel mit einem Hütehund, kann das schwierig werden – mitunter verteidigt der Esel seine Herde so erfolgreich gegen den mutmaßlichen Angriff, dass der Hütehund seine Arbeit nicht verrichten kann. Hund und Esel müssen sich erst gegenseitig kennen und respektieren lernen, bevor die Zusammenarbeit klappt.
Lotte hat das längst gelernt. Und wenn sie manchmal nicht genau zu wissen scheint, ob sie lieber hüten oder sich behüten lassen soll, dann entscheidet sie nicht zwischen Hund und Schaf, sondern hat eine bessere Lösung gefunden: Im Zweifelsfall spielt sie pittoreskes Beiwerk, schließt sich ihrem Schäfer an und durchsucht mit charmanter Aufdringlichkeit dessen Mantel nach Leckerbissen.
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